Kapitel 4
Wir rannten den Gang fast entlang. Keiner von uns beiden hatte sich je so gefreut hier her zurück zu kehren. Endlich keinen Hunger mehr leiden. Endlich ausschalfen. Und was für mich fast am wichtigsten war: Endlich wieder bei Newkirk sein. Am Haupttunnel angelangt, konnte ich mir ein Grinsen fast nicht mehr verkneifen. "Gleich siehst du ihn wieder. Gleich darfst du ihn wieder umarmen", dachte ich voller Freude. Ich blickte hinüber zu Carter, der ebenfalls grinste, aber wahrscheinlich dabei an etwas leckeres zu essen dachte. Wir ließen das Bett nach oben klappen und stiegen voller Vorfreude hinaus in die Baracke.
Leer. Alles leer. "Peter!?" "Colonel Hogan!?" Wie verzweifelte Kinder begannen wir damit nach den Vermissten zu rufen. Wir bekamen keine Antwort. Und zum ersten Mal seit dem Auftrag wurden meine schlimmsten Befürchtungen wahr. Sie hatten sie geschnappt und nun waren sie wahrscheinlich schon längst tot. Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken. Tränen liefen über meine Wangen. Sollten sie doch. Was interessiert das nun schon noch? Andrew kam zu mir, legte seine Hand auf meine Schulter und umarmte ich dann. Ich weinte hemmungslos in seinen Blazar und fing an ihm von Newkirk und mir zu erzählen. Er war der erste, der davon mitgekam, mal abegesehen von Hogan, den ich damals um Rat gefragt hatte. Er hörte mir aufmerksam zu und ließ mich keinen Moment los. Im Gegensatz zu Robert hatte er Verständnis für meine Lage. Von ihm kam kein "Ich will sofort, dass du dich von ihm trennst!" auch kein "Du gefährdest damit unsere ganze Organisation". Er war einfach für mich da und tröstete mich. Andrew erzählte mir, dass er sich so etwas schon gedacht hatte, und er Peter öfters mit Louis über mich hatte reden hören. Newkirk hatte sich schon beim ersten Treffen in mich verliebt. Mein erster Tag im Stalag 13, ich erinnere mich noch gut daran.
Es war zwar erst Frühling, aber es war ungewöhnlich warm als ich in einem Laster die holprige Landstraße entlang fuhr. Ich hielt nie viel von Uniformen, daher hatte ich mein Hemd aufgeknöpft, so dass mein weißes Unterhemd hervor blickte. Ich saß lässig an die Wand gelehnt da und hatte ich meine Hände in den Taschen vergraben. Ich wollte möglichst cool rüber kommen und nicht, wie ich war, aufgeregt.
Mir gegenüber saß ein deutscher Soldat. Er hatte sein Gewehr auf dem Schoß und blickte mich grimmig an. Langenscheidt. Das erste Mal, dass ich auf ihn traf.
Den Laster fuhr ein dicker Feldwebel, der mir aber gleich sympathisch war, wenn ich ihn auch mit Vorsicht begegnete. Ich hatte erwartet, dass man grob zu mir sein würde und mich förmlich auf den Laster prügeln würde, aber nichts von dem traf ein. Stattdessen gab mir der Feldwebel seine Hand und half mir auf die Ladefläche. Wie nett von ihm. Ich danke es ihm, indem ich mir jeglichen Widerstand sparte. Wir fuhren nicht ziemlich lange, da es mein Anliegen gewesen war, möglichst nah beim Lager gefangen genommen zu werden, um auszuschließen, dass sie mich irgendwo anders hinbrachten. Das Stalag 13 machte auf mich einen Eindruck wie jedes Gefangenenlager. Es war schwer vorstellbar, dass sich hier eine Organisation darauf speziallisiert hatte, Flüchtlingen aus Deutschland rauszuhelfen. Als der Laster hielt, entdeckte ich als erstes einen Mann, der an der Wand einer Baracke im Schatten lehnte. "Baracke 2" stand groß auf einem Schild über ihm. Als er mich entdeckte, verließ es seinen Platz und lief auf mich zu. Allerdings nicht mit großer Eile, wie mir schien. Ich erkannte an seiner Uniform, dass er Amerikaner war und auf seinem Namesschild prangerte ein dickes "Hogan". Das war also der Chef hier im Lager. Der Feldwebel folgte meinem Blick, der mittlerweile Hogan fixiert hatte und half mir etwas schneller vom Laster. Anscheinend wollte er vermeiden, dass ich mit dem Colonel reden konnte.
"Tag Schulzie. Ein neuer Gefangener?", fragte er überflüssig. Jetzt wo Hogan vor mir stand, konnte ich ihm zum ersten Mal ins Gesicht sehen. Seine Augen machten dabei den meisten Eindruck auf mich. Sie waren braun und weckten sofort mein Vertrauen. Auch seine dunklen Haare, die unter der Fliegermütze nicht gänzlich verschwunden waren, gefiehlen mir. Er grinste mich frech an. "Mei Colonel Hogan. Sie wissens doch, dass des stickt verboten is mit Gfangenen zu reden bevor se der Oide net gsehn hot.", antwortete der Feldwebel und schob mich in eine andere Richtung. "Denken Sie daran. Nur Name, Rang und Dienstnummer!", rief mir Hogan hinterher. Alles klar. Danke.
Der Feldwebel schob mich durch eine Tür in ein Vorzimmer, in dem eine blonde Frau hinter einem Schreibtisch saß. Sie blickte mich erstaunt an. Der Dicke achtete allerdings nicht weiter auf sie und schob mich an ihr vorbei zur nächsten Tür. Doch klopfte er allerdings an. "Ja, nu herein, nich ahr." Der Feldwebel öffnete die Tür und wir traten ein. "Aaaah, der Feldwebel Schultz, nich ahr. Und wen bringt er denn da mit? Ne neue Gefangene." Hätte ich mich nicht so gut im Griff gehabt, hätte ich laut los gelacht. So eine lächerliche Gestalt von Offizier war mir noch nie begegnet. Er hatte ein Monokel im Auge klemmen und er hatte einen Gang, der eine Mischung aus Schleichen und einer fußkranken Henne inne hatte. "Sach en se ma, Schultz. Der Gefangene, den se mir da mitgebracht ham, nich ahr, is ja en Weibchen." Nun war mein Einsatz gekommen. Ich salutierte und leierte meinen Text herunter. "Maxim Montiel , Colonel, Dienstnummer 312256." Ich stand stramm und verhielt mich ruhig. Der Oberst schien nicht zu begreifen. "Sie sin nu Soldat?", fragte er vorsichtig. "Ja, Herr Oberst.", war meine zackige Antwort. "Nu Schultz, worauf warten se denn? Dass es schneit? Nu sehn se zu, dass die Gefangene in eene Baracke kommt. Aber zack zack, nich ahr. Weggetreten!" Der Feldwebel salutierte und ich machte es ihm gleich. Im Gleichschritt traten wir ins Freie. Mittlerweile hatte sich anscheinend herum gesprochen, dass eine Frau im Lager war, denn jeder, der mich erblickte, flüstere aufgeregt mit dem Kollegen. Dieses Getue war mir nicht unbekannt. Immer wenn ich wegen des Militärs irgendwo anders hinmusste, reagierten die Männer so auf mich. Gelangweilt und damit beschäftigt die Pfiffe zu überhören, sah ich mich um. "Mei Fräulein, sie brauch fei kei Angst hom, ge? Der Colonel Hogan der kümmert sich scho um sie." Der Feldwebel hielt mir die Tür der Baracke 2 auf und ich trat ein. Sofort salutierten alle Männer. Anscheinend hatte Colonel Hogan seine Leute im Griff. "Colonel, wie war doch gleich ihr Name?", fragte mich Hogan. "Ich möchte gerne gedutzt werden.", erwiderte ich sofort. Der Colonel blickte verdutzt drein. "Maxim Montiel. Ich bin Colonel in der französischen Armee. Mittlerweile bin ich im Londoner Untergrund tätig. Ich bin die Verstärkung, die sie angefordert haben", erwiderte ich, als mich Hogan immer noch verwirrt anblickte. Auch durch die Reihen seiner Männer ging ein aufgeregtes Schnattern. Anscheinend waren sie über mein Kommen nicht eingeweiht. Auch Hogan schien erstaunt zu sein. Aber wie ich vermutete mehr von der Tatsache, dass ich eine Frau war und nicht wie er erwartet hatte ein Mann.
"Ich werde mich darum kümmern, dass Klink Sie hier lässt.", versprach er mir. "Aber zurerst möchte Ihnen, Verzeihung, dir meine Männer vorstellen." Ich nickte und war froh, dass alles so unkompliziert über die Bühne lief.
Wir traten vor die vorderste Reihe von Männern. Den ersten, den Hogan mir vorstellte, war Sergeant Kinchloe. Es war ein großer Mann mit dunkler Hautfarbe, der durch seine ruhige Art viel Wärme ausstrahlte. Er lächelte mir freundlich zu und streckte mir die Hand entgegen. Ich erwiderte seinen Willkommensgruß und spürte gleich, dass es sehr loyal gegenüber anderen war. Der nächste war der jüngste in der Truppe und wie Hogan mir gleich verriet auch der schusseligste. Sergeant Carter. Er war stürmischer in seiner Begrüßung und schüttelte mir eifrig die Hand. "Andrew Carter mein Name. Warum willst du dich eigentlich duzen lassen, Maxim?", sprudelte es aus ihm heraus. "Na ja, als Frau beim Militär kommst du mit Autorität nicht weit. Max reicht übrigens vollkommen", erklärte ich ihm. Er nickte nur verständnisvoll und machte dabei ein wichtiges Gesicht. "Verdammt Carter, ´ör auf sie so durch zu schütteln." Sein Nachbar stieß ihn in die Seite, worauf Carter mein Hand losließ. An der Uniform und am Akzent erkannte ich, dass er mein Landsmann war. "Louis LeBeau. Mein Name. Stehts zu Diensten." Er war der Kleinste, aber auch der, der mir bis jetzt am sympathischsten war. Er grinste mich an und gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass er sich jetzt besonders gut um mich kümmern würde, da ich ja sozusagen jetzt das Nesthäkchen war. "Und das ist Corporal Peter Newkirk. Royal AirForce.", stellte Hogan mir den letzten seiner Männer vor. "Ta-ag au-auch, sch-schöne Frau." Von diesem Engländer war ich fasziniert. Nicht nur, dass ich sein Stottern unglaublich süß fand, auch seine Augen zogen mich unweigerlich in ihren Bann. Ich war ihm ganz und gar erlegen und das schon in den ersten Minuten, in denen wir uns kannten. Er erwiderte meinen Blick, den ich einfach nicht von ihm wenden konnte. Hogan schien es zu merken und räusperte sich hinter mir. Ich schreckte hoch und zwang mich etwas zu sagen, damit es nicht gar so peinlich rüberkam. "Sie haben wirklich tolle Männer, Colonel.", sagte ich und mein Blick rutschte dabei unweigerlich zurück zu Newkirk. Er gab so ein hübsches Bild ab mit seinen Händen in den Hosentaschen seiner blauen Uniform. Marke Befehlsverweigerer. Einer, der auch aneckt. Der Typ Mann, der mir gefiel. "Ja, ich bin auch sehr stolz auf sie. Aber wenn ich dich schon bei ihrem Vornamen nennen soll, dann musst du das auch tun. Robert", stellte er sich vor und ich schüttelte ihm die Hand.
Ja, meine erste Begegnung mit Newkirk war eine wirklich magische gewesen. Und nun sollte alles vorbei sein? Ich konnte es nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben.
Ich weiß nicht, wie lange mich Andrew im Arm hielt und ich in sein Hemd weinte, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Doch eigentlich war mir gar nicht so bewusst, warum ich weinte. Es war mir von anfang an klar gewesen, dass diese Mission unsere letzte sein konnte. Un dich hatte das Stalag verlassen mit der Gewissheit, dass es auch das letzte Mal sein konnte, dass ich Newkirk sah. Außerdem spürte ich tief in meinem Inneren, dass er nicht tot sein konnte, auch wenn alles dafür sprach.
"Moment mal,", begann Andrew nach einer längeren Pause, "aber Ivan war doch hier." Ich blickte zu ihm auf. An Kinch hatte ich überhaupt noch nicht gedacht. Hogan und ich ließen ihn gerne hier, weil er so zuverlässig war. Er achtete auf den Funkverkehr und vor allem darauf, dass Schultz von unserem Fehlen nichts mitgekam.
Er war vielleicht unsere Rettung. Und ich hätte Carter dafür küssen könne, dass er mich auf diese Idee gebracht hatte. "Schnell in den Tunnel. Vielleicht haben sie ihn ja in die Arrestzelle gesteckt, weil ich nicht sagen wollte, wo wir sind.", mutmaßte ich mit neuem, schier unbändigen Tatendrang. Auch Andrew stürmte los, wobei er allerdings über eine Kiste fiel und auf den Boden krachte. Ich lachte los. "Ja, lach mich auch noch aus. Ich hätte mir ja nur das Genick brechen können." Er zog eine beleidigte Schnute und stieg vor mir in den Tunnel. Ich konnte mich immer noch nicht halten, so dass ich fast die Treppen hinunter gefallen wäre, was mir einen schadenfrohen Blick von Carter einbrachte. Wir liefen in den Tunnel, der zu den Arrestzellen führte und stiegen vorsichtig hinauf. Als ich hinter Carter in voller Größe zu sehen war, stand ich geradewegs vor einer Zelle. Ich stellte mich auf die Zehen und lugte hinein.
Im selben Moment schreckte ich zusammen, ging sofort in die Hocke und zerrte Carter am Hemdkragen mit, wogegen er mit einem Schrei protestierte. Ich drückte den Zeigefinger auf die Lippen.
"Ja, isn nu wer da?", hörten wir eine Stimme aus der Zelle. Carter schaute mich mit weitaufgerissenen Augen an und formte stumm das Wort "Klink". Der Oberst schien sich allerdings mit keiner Antwort ganz gut begnügen zu können und war wieder still.
Jetzt war Vorsicht geboten. Einmal konnten wir ihn für dumm verkaufen, aber beim zweiten Mal würde er noch lauter schreien und dann hätten wir die Wachen auf den Hals. Ich war mir sicher, dass Klink ihnen seinen Seele für seine Freiheit verkauft hätte. Und uns sicherlich gleich mit.
Wir spähten in alle Zellen, aber sie waren leer. Es war nur noch eine übrig. Wenn da nicht Kinch darin saß, waren wir geliefert. "Kinch?", fragte ich vorsichtig im Flüsterton. Ich hörte, dass sich in der Zelle etwas bewegte. Es war allerdings nicht möglich zu sagen, wer sich da gerade zur Tür schlich. "Max?", fragte eine Stimme, die ich nur zugut kannte. Ich atmete auf. Es war tatsächlich Kinch. "Was macht ihr denn hier? Ich dachte, die hätten euch geschnappt?" Wir erzählten ihm die ganze Story und er schien erstaunt zu sein, dass wir so glimpflich davon gekommen waren. "Meine Güte, hattet ihr ein Glück.", kommentierte er unsere Erzählungen immer wieder. "Ivan, was ist mit den anderen passiert?" Ich zwang mich nicht Newkirk zu erwähnen, um den ich mir die meisten Sorgen machte. "Sie waren hier." Ich horchte auf und noch im selben Moment schoss eine Frage in mein Hirn: "Und wo sind sie jetzt?" Wieder einmal hatte ich schneller gesprochen als gedacht. "Wahrscheinlich im SS-Quatier in Hammelburg. Die SS wollte Klink nur schnell darauf aufmerksam machen, dass hier ein paar Spione in seinem Lager sind. Er wollte es natürlich nicht glauben, also haben sie ihn hier eingesperrt. Jetzt leitet so ein SS-Heini das Lager." "Und warum bist du hier?", bohrte Carter nach. Es herrschte eine Weile Stille. "Ich weiß, dass ich es nicht hätte tun dürfen, aber ich habe nach London gefunkt. Die haben das Signal geordet und haben mich gleich darauf hier her verfrachtet. Die wollten, dass ich ihnen etwas über Colonel Hogan und Max erzähle, aber von mir haben sie nichts erfahren", sagte er mit einem stolzen Unterton in der Stimme. Während Carter noch erstaunt schaute, war mir schon einiges klar geworden. Sie waren nicht hinter den Männern her, sie wollten Robert und mich. Und Hogan hatten sie bereits. Ich brachte Kinch und Carter damit in Gefahr, dass ich bei ihnen war. "Verschwinde von hier", schoss es mir als erstes durch den Kopf. Aber ich konnte sie hier nicht alleine lassen, weil die SS Beweise finden würde und sie dann genau so mit drin steckenden wie Robert und ich.
"Wir müssen sie daraus holen", meinte Carter und in seinen Augen war tiefer Tatendrang zu erkennen. "Aber wie?", fragte Kinch und blickte mich an. Ich sah, dass Carter enttäuscht den Kopf hängen ließ als hätte er nicht damit gerechnet, dass wir auch einen Plan brauchen würden. Meistens war es Robert, der einen entwickelte, aber auch ich war dieser Fähigkeit durchaus mächtig. Allerdings kam ich nicht im geringsten an Hogan heran. "Mir fällt schon was ein", versprach ich. "Wir müssen erst einmal hier weg. Die Tunnel haben sie noch nicht entdeckt, sagst du. Also werden wir uns da verstecken. Erstmal ausschlafen und etwas essen." Kinch nickte. Es war zu gefährlich ihn jetzt schon hier heraus zu holen. Das hätte uns nur unnötigerweise die SS auf den Hals gehetzt, denn Gefangene haben nicht die Angewohnheit einfach zu verschwinden. Carter und ich schlichen zurück in den Tunnel. Wir entdeckten etwas Büchsenfleisch und schliefen einfach in den "Betten", die normalerweise für die Flüchtlinge, die wir aus Deutschland rausschleusten, gedacht waren.
Ich war müde, aber meine Gedanken wanderten immer wieder zu Newkirk und unsere ersten Tage zusammen, in der wir gleich dicke Freunde wurden.
Es war immer noch so stickig warm im Lager. Fünf Tage war ich nun hier. An die Gegebenheiten wie den Morgenappell hatte ich mich bereits gewöhnt, das einzige was mir noch Sorgen bereitete war, dass die Männer aus den anderen Baracken immer noch kein Vertrauen zu mir hatten. Überhaupt hatte ich die ersten paar Wochen sehr wenig Anschluss. Ich verstand mich gut mit LeBeau, Kinch, Carter und Newkirk, aber ansonsten war ich allein. Mich ödete das sehr an, da ich ja nicht immer mit ihnen zusammen sein und ihnen hinterher dackeln konnte.
Ich war an diesem Nachmittag allein in der Baracke und versuchte mich gerade krampfhaft auf ein Buch zu konzentrieren, dass die neuesten Geheimcodes enthielt. Kinch hatte es mir geliehen, damit ich eine Beschäftigung hatte. Allerdings war das Entziffern von irgendwelchen Buchstaben- und Zahlenfolgen noch nie meine Stärke gewesen. Ich war kaum zwei Seiten weit gekommen, da spazierte LeBeau gut gelaunt durch die Tür. "Colonel ´ogan meint isch muss ein Abendessen für Klink kochen. Da habe isch einiges zu tun."
Ich wartete einige Minuten, um ihm nicht das Gefühl zu geben, dass ich wegen ihm die Baracke verließ. So sehr ich mich nach etwas Gesellschaft sehnte, umso mehr suchte ich die Einsamkeit. Ich musste nachdenken. war die Entscheidung hier her zu kommen richtig gewesen? Es war ein gefährlicher Auftrag. Noch hatte ich die Chance zu gehen. Hogan hatte es mir schon am ersten Abend angeboten.
Gedankenversunken lief ich im Lager umher ohne zu wissen, wohin ich eigentlich ging. Eine Stimme ließ mich hochschrecken. "Na, ga-gar nichts zu tu-un? Du siehst so-o erholt au-aus.", scherzte er. Es war Newkirk. Ohne es zu wissen, war ich mitten in den Fuhrpark gelatscht. Ich Depp. Er saß auf der Ladefläche eines LKWs und hatte ein Zigarette in der Hand. "Sag irgendetwas", war mein einziger Gedanke. "Und hör auf ihn anzustarren." "Na ja, nicht wirklich. Ich wollte ein bisschen frische Luft schnappen." Eine blödere Antwort war mir in dem Moment nicht eingefallen. Und dann wedelte ich noch so dämlich mit der Hand, um meine Aussage zu unterstreichen. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Newkirk grinste. Er wusste wahrscheinlich ganz genau, warum ich so drauf war. Und er mochte es anscheinend, wenn ich mich bis auf die Knochen blamierte. Wir standen uns eine ganze Zeit lang gegenüber. Ich sah ihn an. Diese Augen. Du könntest dich in ihnen verlieren. Ich war noch nie verliebt gewesen. Noch nie so richtig. Aber ich war mir ganz sicher, dass ich es jetzt war. Newkirk lächelte immer noch, als er zu mir sagte, ich solle mich doch setzen, bevor ich am Boden festgewachsen wäre. Ich hörte ihn, aber es schien mir, als müsste er schreien, damit ich ihn verstand. Ganz ohne mein Zutun setzte sich mein Körper in Bewegung und ehe ich mich versah, saß ich auch schon neben ihm. Stumm hielt er mir seine Zigarettenschachtel hin. Ich nahm mir eine, zündete sie an und zog daran. Entspannung. Ich bemerkte, dass ich zitterte und konnte nur hoffen, dass Newkirk nicht auf meine Hände schaute. "Wa-as bedrückt di-dich?", fragte er nach einer Weile. Ich erzählte ihm von dem Auftrag und auch warum ich ihn angenommen hatte. Er hörte mir stumm zu und sah mich die ganze Zeit an. In dieses hübsche Gesicht zu sehen, erleichterte mir das Denken nicht gerade. Als ich fast fertig war mit meinen Erzählungen legte er den Arm um mich. Es war keine Situation, von der ich hätte sagen könne, dass sie aus Liebe war, aber ich fühlte mich schlagartig geborgen und wohl. Er war sehr sanft. Nicht wie mann es vielleicht von einem Mechaniker erwarten würde, grob und unsensibel. Das erstaunte mich sehr. Ich weiß nicht, wie lange wir dort saßen und redeten, aber es kam mir vor, als könnte ich mein restliches Leben bei ihm verbringen.
Das war nicht das letzte Mal, dass wir beide so dasaßen und uns gegenseitig das Herz ausschütteten. Man kann sagen, wir wurden zu Freunden und nichts hätte mich auf seine Reaktion vorbereiten können.
Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass er sich irgendwann einmal in mich verlieben würde. Ich hatte ja auch keinen Reiz auf ihn. Ich war nicht so wie die anderen Mädchen aus der Stadt. Geschminkt und gut gekleidet. Meine dunkelbraunen Haare hatte ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und das einzige was ich zum Anziehen hatte, war meine Uniform. Nicht gerade toll, wenn ihr mich fragt. Das einzige was mir an mir selbst gefiel, waren meine grünen Augen, die ich von meinem Vater geerbt hatte. Aber das würde es auch nicht heraus reißen, bildete ich mir ein.
Bis vor vier Tagen. "I-ich mu-muss mit dir re-eden.", hatte er gesagt. Wir waren beide im Tunnel verschwunden und waren in Carters Labor gegangen. Ich hatte mich gewundert, dass er zu mir gekommen war und nicht zu Hogan, weil ich dachte, es handle sich um ein Problem mit dem Plan für die Mission die wir in zwei Nächten hatten. Aber da hatte ich mich gewaltig geirrt. Es war nicht wie sonst immer. Ich spürte eine gewissen Anspannung bei ihm. Er war aufgeregt. Das war ich gar nicht von Peter gewohnt. Kam er doch sonst so souverän und bestimmt herüber.
Es dauerte eine Weile bis er sich überhaupt rührte, gescheige denn den Mund aufmachte. Er war rot angelaufen und ich konnte klar sehen, dass er in diesem Moment nicht wusste, wohin er jetzt eigentlich wollte. Er atmete tief durch und stellte sich mir genau gegenüber. Wieder konnte ich in seine tollen Augen sehen und wieder brachten mich meine Gedanken aus dem Konzept. Ich bemühte mich wirklich ruhig zu bleiben, aber ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, denn die Vorfreude, dass ich wahrscheinlich zwei, drei Minuten allein mit ihm reden konnte, ließ sich nicht ausblenden.
"I-ich liebe di-dich." Stille. In meinem Magen machte sich ein Hochgefühl breit. Ich hatte das Gefühl jeden Moment abzuheben, doch trotzdem hielt mich immer noch etwas auf dem Boden der Tatsachen. Wie ein schwerer Stein setzte er sich in mir fest, dieser Gedanke. "Er verarscht dich. Er will sehen wie du reagierst.", dachte ich immer wieder. Aber der Drang ihn zu berühren war stärker. Wir küssten uns.
Mir stiegen die Tränen in die Augen. "Du musst ihn wieder sehen", flüsterte ich mir selbst zu. Ich hörte Carter neben mir schnarchen, war mir aber nicht sicher, ob er tatsächlich schlief, weil es schon ziemlich laut war und es Andrew ähnlich sah in so einer Situation grenzenlos zu übertreiben. Schnell wischte ich mir die Tränen von der Wange. Er sollte nicht sehen, dass ich heulte, auch wenn er es wahrscheinlich schon längst bemerkt hatte. Unsanft begann ich an seiner Schulter zu rütteln. "Andrew, wach auf. Ich hab einen Plan." Er war sofort hellwach, was meinen Verdacht nur unterstrich. "Also, pass auf..."
Wieder mal ein neues Kapitel meiner Story. Leider bekomm ich ja keine Kommentare mehr. Würd mich aber trotzdem über welche freuen. Die Geschichte wird immer komischer, wofür ich allerdings nix kann.
Dafür möcht ich mich entschuldigen, genau wie für Rechtschreibfehler und sonstige Fehler.
Viel Spaß beim Lesen.
LG,
Susanne